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Kategorien: Unternehmen

Die Sicht von der Brücke

1989–2014: Ein Vierteljahrhundert voller Erfolge ist eine einzigartige Leistung, die nur wenige Firmengründer und Topmanager vorweisen können. Es ist die Geschichte eines Unternehmens, das aus der Idee zweier Studenten entstand und Jahrzehnte des technologischen und wirtschaftlichen Wandels erlebt und mitgeprägt hat. In diesem Interview geben Oliver Winzenried, Vorstand der WIBU-SYSTEMS AG, und Marcellus Buchheit, CEO der WIBU-SYSTEMS USA, Inc., exklusive Einblicke in ihre Geschichte und in das Geheimnis hinter der Vision, das aus ihrer Geschäftsidee einen der drei führenden und weltweit renommierten Anbieter für Softwareschutz, Lizenzierung und Sicherheitstechnologie gemacht hat.

Ihre Karriere als Unternehmer begann sehr früh. Wie sind Sie auf die Idee gekommen und wie haben Sie diese umgesetzt?

[Marcellus Buchheit] Oliver und ich haben uns an der Universität Karlsruhe kennengelernt. Wir haben damals an einem Hard- und Softwareprojekt für die Amateurfunkstation der Universität gearbeitet. In den darauffolgenden Jahren haben wir tagsüber unsere Vorlesungen besucht und nachts gemeinsam an ganz unterschiedlichen Kundenprojekten gesessen. Die Zusammenarbeit lief sehr gut. Dies hat uns ermutigt, gemeinsam ein Produkt zu entwickeln, mit dem wir erfolgreich in den Markt einsteigen können. Wir haben erkannt, dass Originalsoftware leicht zu knacken war und dass die Sicherheitslösungen noch sehr schwach waren. Unsere Pläne nahmen im Jahr 1987 mehr Form an. Oliver hat den ersten WibuKey-Chip und die nötige Hardware entwickelt, und ich habe mich um die Schutztechnologien und Tools auf der PC-Seite gekümmert.

Wibu-Systems hat einen einzigartigen, vertikalen Fokus in all den Jahren. Wie sind Sie auf diese Marktnische gekommen? Und warum haben Sie sich nicht anderen Technologien gewidmet?

[Oliver Winzenried] WibuKey 1.0 wurde ursprünglich für DOS-Systeme entwickelt. Es war schon damals ein Vorgeschmack auf die komplexen Schutzlösungen, die später folgen würden. Über die Jahre hat sich die Zahl der Betriebssysteme vervielfacht – 16-Bit-Windows, OS/2, Novell, Linux, 32-Bit-Windows, Mac OS und so weiter. Was wir wollten, war eine universelle Lösung für alles – für alle Plattformen und für alle Kunden. Es war eine ziemliche Herausforderung, die unterschiedlichen Anwendungsfälle mit einer einzigen Architektur und einer einzigen Schnittstelle (API) abzudecken, und unsere Ressourcen waren begrenzt. Gleichzeitig war der Softwareschutzmarkt ein Wachstumsmarkt. Daher haben wir die Entscheidung getroffen, weiter an der universellen Lösung zu arbeiten und uns in unserer Nische zu etablieren. Mit unserem detaillierten Expertenwissen hinsichtlich Softwareschutz konnten wir immer die Wünsche unserer Kunden umsetzen und unsere Schutztechnologie kontinuierlich verbessern und erweitern. Wir wussten, dass eine Ausweitung auf andere Sicherheitsprodukte eine Verwässerung unserer Kräfte bedeutet hätte. Deswegen war uns klar, dass wir uns auf den Softwareschutzmarkt konzentrieren und Verbesserungen entwickeln sollten. Inzwischen sind unsere Lösungen sehr vielseitig und innovativ geworden: Sie erlauben den „Schutz“ des geistigen Eigentums gegen Produktpiraterie oder Reverse-Engineering (Analyse), „Lizenzierung“ als Schlüssel für neue Geschäftsmodelle, und zusätzlich „Sicherheit“ gegen Manipulation oder Cyberangriffe.

Wessen Idee war „CodeMeter“? Was genau steckt hinter diesem Produkt?

[Buchheit] Zuerst haben wir „WibuKey“ als Softwareschutz Made in Germany auf den Weltmarkt gebracht. Anfangs wurde Software auf CD gebrannt, in einem Karton verpackt und verschickt. Deswegen war es offensichtlich, den Dongle gleichfalls in den Karton zu legen. Das Internet hat die Situation so verändert, dass Software zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wird, was uns neue Chancen gab. Die Herausforderung war jetzt, mit aktualisierten Lösungen neue Gefahren abzuwehren, sodass wir unser Konzept ganz neu überdenken mussten. Unsere Idee war, einen einzigen Dongle für viele verschiedene Softwareanbieter zur gemeinsamen Nutzung zu entwickeln, jedoch mit beliebiger Programmier- und Upgrade-Möglichkeit aufseiten des eigentlichen Nutzers. Sogar heute gibt es im Markt keinen anderen Dongle mit einer so ausgereiften Interneteinbindung. Nach einigen Runden Brainstorming sind wir auf den Namen für dieses Produkt gekommen: „CodeMeter“. Sinn und Zweck der Technologie ist das „Metering“, also die Überwachung der Softwarenutzung, und das als Teil des eigentlichen Programmcodes „Code“. Wir haben sozusagen ein neues Verb geschaffen: CodeMetering.

25 Jahre lang ein erfolgreiches Unternehmen zu führen ist eine großartige Leistung. Wie schaffen Sie es, mit zukunftsweisenden Visionen weiter Ihren Erfolg auszubauen

[Winzenried] In unserem Wertverständnis steht der Dienst am Kunden immer im Mittelpunkt. Wir helfen unseren Kunden, ihr Geschäft weiterzuentwickeln, indem wir ihnen die dafür nötigen Schutzkonzepte bieten. Nur durch die Kommunikation mit unseren Kunden können wir ihre Wünsche und Anforderungen erfahren. Ihre ganz unterschiedlichen Arbeitsgebiete, Kulturen und Sichtweisen sind eine unglaublich wichtige Quelle für unsere Kreativität. Wir versuchen auch, im Markt immer einen Schritt voraus zu bleiben. Daher sind wir in verschiedenen internationalen Verbänden und Standardisierungsgremien aktiv, was unseren Einfallsreichtum als Unternehmen noch weiter beflügelt. Identifizieren wir neue Gefährdungen oder Angriffe, werden wir gleich aktiv und entwickeln dafür passende neue Lösungen. Wir haben immer das nächste Feature oder eine noch bessere Vermarktungsstrategie im Kopf. Wenn ich das alles auf einen Punkt bringen soll, könnte ich sagen: Wir hören der Welt zu, fügen unsere Visionen hinzu und entwickeln als Ingenieure eine Lösung.

Hinter CodeMeter stehen viele verschiedene Produkte und Dienste. Wie können Sie Ihre Lösung in wenigen Worten beschreiben?

[Buchheit] In den Anfangsjahren konzentrierten wir uns vollständig auf Dongles, die immer noch das Nonplusultra im Softwareschutz sind. Wir haben aber auch bald verstanden, dass die Entscheidung unserer Kunden von vielen anderen Kriterien beeinflusst wird, wie fehlende Anschlussmöglichkeit für einen Dongle, besonders trickreiche Lizenzverteilung oder das Verhältnis vom Verkaufspreis der Software zu den Donglekosten. Das Ergebnis ist CmActLicense. Ganz klar ist es Teil des CodeMeter-Konzepts, denn die Lizenzen können in verschiedenen Containern aufbewahrt werden, basierend auf der gleichen Kerntechnologie. Wenn es darum geht, Lizenzen zu erzeugen, zu managen oder zu verteilen, kommt ein weiteres Tool ins Spiel: die CodeMeter License Central. Dieses Tool funktioniert gleichzeitig für hardwarebasierte und softwarebasierte Lizenzen, genauer gesagt für CmDongles und CmActLicense. Gleichzeitig werden die Vertriebsprozesse optimiert, indem die CodeMeter License Central komfortabel in ERP-, Kundenmanagement- oder E-Commerce-Systeme beim Kunden integriert wird.

Wenn es so etwas wie den perfekten Kunden gäbe: Wer wäre es und was würde ihn auszeichnen?

[Winzenried] Ganz grundlegend gesprochen arbeiten wir mit zwei Kundengruppen. Da sind zum einen die Hersteller von PC-Software für den Büroeinsatz und zum anderen Unternehmen aller Industriezweige, die spezielle Anwendungen und Embedded-Geräte entwickeln. Die erste Gruppe nutzt unsere Lösungen hauptsächlich zur Lizenzierung, um neue Lizenzmodelle abzubilden und die notwendigen Prozesse zu automatisieren. Es geht mehr um die Messung der Nutzung mit Abrechungsmöglichkeit als die restriktive Durchsetzung von Lizenzbedingungen. Für die zweite Gruppe sind nicht nur Maßnahmen gegen Produktpiraterie wichtig, sondern auch gegen Sabotage, Manipulation und Cyberattacken. Da es sich um völlig neue Angriffsmethoden handelt, fordert der Markt die kompetente Umsetzung sicherheitsrelevanter Fragen und wirklich wirkungsvolle Lösungen, beispielsweise zum Integritätsschutz. Für Hersteller von PC-Software ist flexible Lizenzierung mit Anwendervorteilen wichtig. Ganz anders sieht es bei den industriellen Herstellern aus – die Sicherheitsbedürfnisse sind viel komplexer. Deswegen kümmern wir uns um strategische Partnerschaften, um Entwicklern umfassende Lösungen liefern zu können. Mit unseren Kunden sind wir sehr zufrieden. Die langjährigen Beziehungen zeigen, dass diese Zufriedenheit in beide Richtungen geht.

Unsere Welt wird mehr und mehr von Technologie bestimmt. Das verändert auch die Art, wie Märkte angegangen werden. Zählen Sie sich eher als Trendsetter oder als nehmen Sie eine eher konservative Haltung ein?

[Buchheit] Unser Prinzip war schon immer clevere Kreativität, in dem wir innovative proprietäre Lösungen lancieren und neue technologische Möglichkeiten von Anfang an begleiten. Das können neue Betriebssysteme, Trends wie Cloud-Computing, revolutionäre Neuerungen aufgrund der steigenden Vernetzung in der Automatisierungsindustrie, das sogenannte Industrie 4.0, oder Portabilität durch Mobilität sein. Wir haben mit diesem Ansatz vor 25 Jahren begonnen, als wir unsere ersten Produkte zum Schutz von Windowssoftware ohne Änderung am Quellcode auf den Markt brachten. Später kam dann der Dongle WibuBox als Steckkarte, dann für die neue USB-Schnittstelle. Auch heute geht es so vorwärts: mit CodeMeter-Produkten für µSD- und CFast-Karten, mit Unterstützung für Steuerungen oder Echtzeitbetriebssysteme.    Es ist das gute Recht unserer Kunden, wenn sie bei Schutzlösungen Rückwärtskompatibilität und Nachrüstbarkeit verlangen. Seit der ersten Minute – mit unserem ersten Dongle – haben wir uns diesem Anspruch verpflichtet gefühlt: Dongles der ersten Generation funktionieren heute sogar mit den neuesten Technologien. Das ist ein riesiger Vorteil für die Geschäftskontinuität bei unseren Kunden, gleichzeitig auch eine Herausforderung für uns.

Wibu-Systems hat seine ­weltweite Präsenz weiter ausgebaut. Warum haben Sie Tochtergesellschaften in den Vereinigten Staaten und in China eröffnet? Welche weiteren Expansionspläne haben Sie?

[Winzenried] Die grundlegenden Strukturen der Softwareentwicklung gleichen sich eigentlich überall auf der Welt – die gleichen Plattformen, Rechner, Entwicklertools und so weiter. Der Erfolg in einem anderen Land hängt von anderen Faktoren ab, wie vollständige Lokalisierung, die Fähigkeiten des Supportteams vor Ort oder die Ausbildung der Vertriebsmannschaft. Die Koordination zwischen der Zentrale und einer Tochtergesellschaft ist natürlich auch schwierig im Hinblick auf Zeitverschiebung, kulturelle Eigenheiten, Sprachbarrieren oder unterschiedliche Rechtssysteme. Unser Ziel ist die weitere Expansion, abhängig von den regionalen Eigenheiten – dies kann nur langsam und vorsichtig passieren, damit wir im Land dauerhaft und kompetent vertreten sind. Wenn wir einen Wunsch hätten, dann wären es mehr Anfragen aus Lateinamerika oder Afrika. Beide Kontinente bieten ganz ungeahntes wirtschaftliches Potenzial, und es wäre spannend, mit neue Partnerschaften diese Märkte verstärkt zu bedienen.

Viele Ihrer Mitarbeiter arbeiten schon außergewöhnlich lange im Unternehmen. Wie ist es Ihnen gelungen, ein solches Gefühl des Zusammenhalts zu erreichen?

[Buchheit] Unsere Mitarbeiter sind die eigentlichen Triebkräfte für Innovation und Design. Ihre Ideen bedeuten uns sehr, sehr viel. Unser Unternehmen wächst beständig und immer mit einem Ziel vor Augen. Wir sind kein „Hire-and-Fire“-Unternehmen, das sich auf den kurzfristigen Profit konzentriert. Bei Wibu-Systems tragen die Mitarbeiter in allen Bereichen ihre Ideen bei und sind aktiv an den Entscheidungen unseres Unternehmens beteiligt. Das Klima bei uns ist immer heiter; die Türen bleiben offen, damit unsere Mitarbeiter sich austauschen können. Und wir alle glauben an gegenseitiges Vertrauen und sind offen dafür, uns aufgrund unserer unterschiedlichen Kulturen zu bereichern, ob hier im Hauptsitz oder bei unseren Niederlassungen und Partnern auf der ganzen Welt. Wir haben uns sehr stringente ethische Normen gesetzt, mit denen sich jeder leicht identifizieren kann, und wir haben uns gemeinsame Ziele gesteckt und verfolgen diese. Nicht zuletzt investieren wir auch in Fortbildung und Training für unsere Mitarbeiter, und wir teilen unseren Erfolg mit denen, die ihn erwirtschaftet haben.

Inzwischen haben Sie ziemlich viele Patente und Auszeichnungen bekommen. Wie ist Ihre Rolle hinsichtlich Ausbildung? Wie stark geben Sie Ihre Erfahrung an junge Talente und Studenten weiter?

[Winzenried] Es ist tatsächlich so, dass wir einige Marken und Patente in den Vereinigten Staaten, Japan, China und Europa halten. Unsere Patente sind eine wichtige Grundlage unseres Unternehmenswerts. Damit das so bleibt und wir weiter erstklassige Innovationen auf den Markt bringen können, sind wir sehr stark in Forschung und Entwicklung aktiv. Wir arbeiten mit dem Karlsruher Institut für Technologie, der Fraunhofer-Gesellschaft und dem deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz zusammen, um nur ein paar Namen zu nennen. In diesem aktiven Austausch sind Studenten natürlich immer als Praktikanten bei uns willkommen. Sie können einen wichtigen Beitrag in unseren Projekten leisten, ihren Master oder ihre Promotion in unserem Hauptsitz oder bei einer unserer Landesgesellschaften machen. Uns ist es auch wichtig, junge Menschen insgesamt an die Ingenieurswissenschaften, IT oder andere Technologiefächer heranzubringen. Dafür arbeiten wir mit Schulen zusammen und bieten Berufsorientierung und Praktika an.

Wenn Sie etwas Positives über Ihren wichtigsten Wettbewerber sagen wollen, was würden Sie sagen?

[Buchheit] Wir sehen uns einer recht akzeptablen Zahl von Mitbewerbern gegenüber, nicht zu viele und nicht zu wenige. Das ist für uns genau der richtige Ansporn, unseren Kunden hochwertige Produkte anzubieten. Es treibt uns immer dazu an, unser Angebot noch mehr vom Markt abzuheben. Unabhängige Marktanalysten haben uns kürzlich in ihre Liste als „Hot Company“ aufgenommen, eine hervorragende Auszeichnung. Wibu-Systems ist einer der zwei weltweit führenden Anbieter für hardware-basierte Softwareschutzlösungen und einer der drei wichtigsten Anbieter im Lizenzmanagementsektor. Wir wissen, dass wir einen angeborenen Hang zum Overengineering haben. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass wir unsere Ziele nicht aus den Augen verlieren. Manche andere Anbieter denken nur noch an Profite; andere betrachten ihre Unternehmen rein als Finanzmaschinen. Wir sind stolz darauf, dass wir weiterhin die goldene Mitte halten, mit den Füßen fest auf dem Boden stehen, aber mit genug Freiheit, um vorauszudenken und Visionen zusätzlich zu direkten Marktwünschen umzusetzen.

Was können Sie angehenden Unternehmern mit auf den Weg geben?

[Winzenried] Man muss Geduld haben. Wenn dann die richtige Idee kommt und man sie auch durchdacht hat, dann heißt es, am Ball zu bleiben, egal, was sonst passieren mag. Und man muss immer die Balance halten zwischen ­Anregungen von außen und den eigenen Erkenntnissen. Geduld und Durchhaltevermögen sind wichtige Zutaten im Erfolgsrezept. 

 

KEYnote 27 – Frühjahrsausgabe 2014

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